Lernen im Doppelpack – Review des ersten Retreat

Clean Code Development und Mountainbiking – das geht zusammen, das befruchtet sich, das macht auch noch Spaß. Anders kann mein Urteil nach 5 Tagen Retreat in Au im Bregenzerwald nicht ausfallen.

Aber eins nach dem anderen:

Nach einem Urlaub im Hotel Rössle in Au Ende September 2016 hatte ich die Idee, das Lernen von Clean Code Development einmal anders zu gestalten.

Üblich ist es, 8 Entwickler in einem mehr oder weniger engen und tristen Seminarraum für 1 oder 2 Tage zusammenzupferchen, um ihnen die Prinzipien und Praktiken zukunftsfähiger Softwareentwicklung nahezubringen. So läuft das halt mit Seminaren, oder? Es soll ja ordentlich was gelernt werden, oder? Dafür ist Kon-zen-tra-tion nötig, den ganzen Tag. Damit auch möglichst viel Lehrstoff in den Kopf reingeht pro Tag, sollte man auf dem Hosenboden sitzen. Leistung ist auch beim Lernen angesagt. Das muss keinen Spaß machen, das soll viel bringen.

Gut finde ich diesen Ansatz weder in der Schule bei meiner Tochter noch im Seminar für erwachsene Softwareentwickler. Doch so werden Seminare eben an das Unternehmen gebracht. Etwas anderes ist Personalabteilungen und Vorgesetzten selten geheuer.

Also boten wir mit der CCD School unsere Seminare bisher im allseits gewünschten und akzeptierten Format an.

Das tun wir auch immer noch – doch ich wollte mal etwas anders ausprobieren und habe das nun getan. Das neue Format heißt Clean Code Developer Retreat (CCD Retreat) und verbindet das Thema zukunftsfähige und nachhaltige Softwareentwicklung mit einer anderen Aktivität. Lernen im Doppelpack sozusagen.

Jeder Tag eines Retreat besteht aus 2-3 Lernblöcken. Insgesamt stehen ca. 6 Stunden technisches Training und ca. 4 Stunden praktisches Tun auf dem Programm. Dazu kommen gemeinsame Mahlzeiten mit allen Teilnehmern.

Dahinter stehen kritische Gedanken, die sich mir in den letzten Jahren aufgedrängt haben während Hunderter üblicher Trainingstage:

  • 8 Stunden Lernen am Stück bringt ohnehin nicht das, was in 8 Stunden möglich wäre. Schon 2 x 4 Stunden Lernen hätte einen besseren Effekt.
  • Lernen findet besser in Zusammenhang mit Bewegung statt. 8 Stunden oder auch nur 6 oder 5 am Stück auf dem Hosenboden sitzen und Programmiertechniken pauken, regt die Sinne und damit das Merkvermögen sowie die Konzentration nur wenig an.
  • Lernen braucht Gemeinschaft, insbesondere wenn das Thema so tief geht wie Clean Code Development, wo sehr grundsätzliche Gewohnheiten und Glaubenssätze auf den Prüfstand kommen. Je besser die Gemeinschaft, desto leichter fällt das Lernen.
  • Die Umgebung ist fürs Lernen wichtig. Nüchterne Räume, den ganzen Tag künstliches Licht, Mittagessen beim Lieferservice bestellen: das alles ist dem Lerneffekt nicht förderlich.

Daraus habe ich die Hypothese abgeleitet, dass Lernen besser funktioniert, wenn es diese Kritikpunkte vermeidet. Vom 15. bis 20. Mai 2017 habe ich nun erstmals ein Experiment abgehalten, um meine Hypothese zu bestätigen (oder zu falsifizieren).

Die Retreat-Idee im Praxistest

Insgesamt 6 Teilnehmer hatten sich zum ersten Clean Code Development Retreat angemeldet. Damit war der Retreat ausgebucht. Und wie sich herausstellte, war damit nicht nur der Seminarraum für den „Programmierunterricht“ gut gefüllt, sondern auch eine Gruppengröße für schöne Gruppendynamik erreicht.

Ganz bewusst war der Seminarraum nicht mit dem üblichen Mobiliar versehen. So konnten wir uns leicht umgruppieren und „zusammenrotten“ für Übungen.

Durch besondere Ästhetik zeichnete sich der Raum zwar auch nicht aus – doch im Verlauf des Unterrichts haben wir ihn ohnehin mit unseren Arbeitsergebnissen tapeziert :-)

Außerdem war der Aufenthalt darin an einem Stück stets begrenzt. Ein typischer Retreat-Tag hatte diese Struktur:

  • 7:30 bis 8:30 gemeinsames Frühstück
  • 8:30 bis 12:30 Clean Code Development Unterricht Teil 1
  • 13:00 bis 17:00 Mountainbiken
  • 18:00 bis 20:00 gemeinsames Abendessen
  • 20:00 bis 22:00 Clean Code Development Unterricht Teil 2

Max. 4 Stunden geistige Arbeit in einem Raum hat sich als bekömmlich herausgestellt. Die Konzentration hat während der Zeit nicht gelitten. Wir waren meistens sogar so im Flow, dass wir Pausen vergessen haben ;-)

Denn die „Denkpause“ war ja garantiert nach einem so überschaubaren Block. Die „Kontrastaktivität“ am Nachmittag – in Au war es das Mountainbiking – hat alle blitzschnell aus Tunnelblick, Denkfallen und Konzentrationslöchern herausgeholt.

Wer kann beim Anfahren am Berg über SRP, IOSP, PoMO, TDD grübeln? Niemand. Und das ist gut so. Der komplette Ausstieg aus dem „Theoriemodus“ des Vormittags war ganz bewusst. So wurde der Kopf frei, das Gelernte konnte sich unbewusst setzen und die Motivationsbatterie wieder aufgeladen werden.

Der Kontakt mit der Natur, den Elementen hat dazu ein Übriges getan. Das Wetter hatten wir optimal getroffen.

Nach 4 Stunden „Ausfahrt“ war es aber auch genug. Die Kondition der Teilnehmer war unterschiedlich ausgeprägt. Nicht jedem fielen die teilweise länglichen Auffahrten gar Aufstiege leicht, nicht jeder fühlte sich gleich sicher bei der Abfahrt über einen Bike Trail im Wald.

Keiner hat jedoch seine Laue verloren. Der Spaß am Mountainbiking war die ganze Woche bei allen ungebrochen. Eine gute Anleitung durch die Bike Trainer von Die Bike Schule hat das natürlich unterstützt. Alle Teilnehmer wurden bei ihrem Leistungsstand abgeholt, jeder konnte mitmachen. Die Gruppe wurde dadurch zusammengeschweißt.

Erholung bot anschließend ein üppiges Abendessen. Die Halbpension des Hotels Rössle hat allen gut getan.

Und zum Ausklang des Tages noch eine zweite Runde Clean Code Development. Das war für alle nicht nur ok, sondern sehr willkommen. Nochmal in die Programmierung eintauchen am Abend, war ganz leicht. Der Kopf war frei und wir konnten dort weitermachen, wo wir mittags aufgehört hatten.

Auswertung

Eine wissenschaftliche Begleitung gab es nicht für den Retreat, um meine Hypothese zu bestätigen. Ich bin auf mein subjektives Urteil und das der Teilnehmer angewiesen. Doch da es sich um ein Erlebnis handeln sollte, warum sollte das nicht ausreichen?

Hat also das Lernen besser funktioniert im Retreat verglichen mit einem üblichen Seminar von gleicher Dauer?

Hier sind einige Teilnehmerstimmen:

„Der Kontextwechsel aus Clean Code und Mountainbiking hat für mich den Reiz ausgemacht. Durch die Bewegung zwischen den Sessions konnte ich gut abschalten und Kraft für die nächste Session sammeln.“, Jannis von Albedyll

„Die Kombination aus Theorie, Praxis und Ausgleich durch körperliche Betätigung sollte in viel mehr Trainings Anwendung finden.“, Görge Albrecht

„Der Balance zwischen Sport und Unterricht war genau richtig dosiert. Kein Platz zum Langweilen.“, Thomas Wolf

„Die Kombination von Programmieren und Mountain Biken ist sehr spannend und hilft neue Konzepte/Ideen besser zu verarbeiten.“, Florian Böhmak

Der Background der Teilnehmer war ganz unterschiedlich: Manche sind Freelancer, manche Angestellte in großen Unternehmen. Manche arbeiten mit C#, manche mit Java, andere mit Go oder ABAP.

Das Urteil fiel dennoch sehr einheitlich aus. Einem Net Promotor Score von 9,66 (von 10) ist kaum etwas hinzuzufügen :-)

Zufriedenheit ist aber nicht gleich Lernerfolg, oder? Hat das Lernen von Clean Code Development besser funktioniert als beim üblichen Seminarformat?

Ich behaupte, das hat es. Das mache ich nicht an irgendwelchen Testresultaten fest, die üblicherweise so ausfallen und nun besser. Solche Tests gibt es nicht. Für mich besteht Lernerfolg in Lebendigkeit, in Motivation, im Tun. Und diese Aspekte waren deutlich stärker ausgeprägt während und auch noch nach dem Retreat.

Natürlich stehen alle Teilnehmer auch nach dieser Erfahrung vor der Herausforderung, das Gehörte und Geübte nicht aus den Augen zu verlieren und in den Arbeitsalltag zu übertragen. Dafür ist die Wahrscheinlichkeit jedoch höher mit der „getankten Energie“.

Das Thema ist nun aufgeladen mit den Emotionen, die der engen Gemeinschaft während der Tage und den körperlichen Leistungen entspringen. Die Chance, Gewohnheiten zu brechen und neue aufzubauen, ist größer als üblich.

Für mich ist der Retreat also ein klarer Erfolg. Nicht nur subjektiv, sondern auch objektiv Dank des wunderbaren Feedbacks.

Schön, dass der nächste Retreat im Juni 2017 schon ins Haus steht. Weitere werden garantiert folgen. Ich sehe in dem Format eine Zukunft des Softwaretrainings der CCD School.

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